Keine Schwellenangst!

Schenk-Weininger, Isabell, 2020

In: „Keine Schwellenangst! Die Tür als Motiv in der Gegenwartskunst“, S.96-99

Werkbezug: Durchgangszimmer, Abgetreten

Die Objekte und Installationen der Bildhauerin und Medienkünstlerin Angelika Wischermann haben stets einen performativen Aspekt. Dabei interessieren sie insbesondere alltägliche Handlungen – wie Türen öffnen und Füße abtreten –, die sie durch Wiederholung ad absurdum führt. So rutscht die Künstlerin bspw. ausdauernd mit an den Oberschenkeln befestigtem Schmirgelpapier auf der Sitzfläche eines Stuhles hin und her oder sie streift ihre Füße stunden- und tagelang auf Fußmatten ab – hinterlässt auf diese Weise Körperabdrücke und -spuren und hinterfragt unsere Verhaltensmuster. Oft lädt sie auch das Publikum zur Partizipation ein. So konzipiert sie 2015 für den öffentlichen Raum eine temporäre Architektur, die allerdings kein Aufenthaltsraum ist, sondern ein Durchgangszimmer. „Während es bis ca. 1650 auf Grundplänen noch keine klare Trennung zwischen intimen und gemeinschaftlich genutzten Räumen gibt und Architekten sich an Albertis Regeln hielten, dass von jedem Raum so viele Türen wie möglich in alle anderen umliegenden Räume gehen sollten, kommt im 19. Jahrhundert die Klage über das ‚Durchgangszimmer’ auf, ein deutliches Indiz dafür, dass sich ein Code auf der Basis der Unterscheidung von privat und öffentlich ausgebildet hat“, konstatiert der Kulturwissenschaftler Bernhard Siegert. Wischermanns begehbare Installation Durchgangszimmer, die aus vier schlichten, weißen Wänden ohne Dach besteht, hat tatsächlich ungewöhnlich viele Türen. An den Längsseiten befinden sich jeweils zwei, an den Stirnseiten je eine Tür, die sich alle nach innen öffnen lassen. Doch da das Zimmer sehr klein ist, können diese nicht gleichzeitig geöffnet werden, ohne aneinander zu stoßen. Mehrere Benutzerinnen – seien es Performerinnen oder zufällige Passant*innen – blockieren sich je nach Temperament gegenseitig den Zugang, lassen sich höflich den Vortritt, drücken energisch die Klinken, schlüpfen vorsichtig durch einen Türspalt oder versuchen durch Klopfen und Rufen miteinander zu kommunizieren. Wischermann fordert durch ihr installatives Angebot Menschen zur spontanen Interaktion miteinander heraus, lässt diese ihre Konventionen hinterfragen und ermöglicht auf spielerische Weise eine räumlich-körperliche Erfahrung.